Regelmäßige Wiederholung Abhyāsa ist für die Aneignung einer neuen Haltung wesentlich. Nur indem Du immer wieder bewusst die Ausrichtung in den Positionen neu spürst, den Unterschied in der Wiederholung wahrnimmst und dabei immer wieder an die Grenzen gehst, wird sich Deine neue Haltung auch spürbar und nachhaltig auf das mentale und psychische Gleichgewicht auswirken.
Nur so kannst Du eingefahrene Verhaltensmuster Samsāra neu überschreiben. Wenn es Dir gelingt, beim Einnehmen und Halten der Āsanas den Fluss der subtilen Energie (Prāna) durch den Körper nachzuspüren, hast Du schon ein wichtiges, subtiles Ziel im Hatha Yoga erreicht.
sthiram sukham āsanam
Patañjali, Yoga Sūtra, Kapitel II, Sadhāna Pāda, Sūtra 46
Die ideale Āsana ist stabil, fest (sthira) und leicht, entspannt (sukha) zugleich. Aus diesem Sutra wird deutlich, dass Schmerz (Dhuka) keine gute Voraussetzung für eine wirkungsvolle Haltung ist.
Die Yogahaltung – jede Yogahaltung – sollte in ihrer Basis so stabil sein, dass Du Dich in der Position entspannen, und auf die Unendlichkeit ausrichten kannst, zum Beobachter / zur Beobachterin des Atems und der subtilen Prāna-Energie werden kannst.
Die Konzentration auf die Atmung ist deshalb so wichtig, weil sie das Bindeglied zwischen den verschiedenen Ebenen oder Hüllen Koshas des Körpers ist: der physischen Hülle – Annamaya Kosha (der Nahrungshülle), der feinstofflichen Hülle oder Aura – Pranāmaya Kosha, der mentalen oder Gedanken-Hülle – Manomaya Kosha, der Intelligenzhülle – Vijnanamaya Kosha und der innersten Glückseligkeitshülle – Anandamaya Kosha. Jede dieser Hüllen hat wiederum ihr jeweiliges Zentrum in einem Chakra.
Wie wirkt Haltung im Yoga?
Die im Hatha-Yoga eingenommenen Körperaltungen (Āsanas) wirken sich nicht nur auf die physische Gesundheit und das psychische Gleichgewicht aus. Durch die achtsame Ausrichtung in den Yoga-Āsanas spürst Du immer genauer Deine wirklichen Bedürfnisse und transformierst Dein Leben von innen heraus.
Die Āsanas werden zum Experimentierfeld Deiner neuen Haltung. Je tiefer Du Dich auf eine Position einlässt und sie erforscht, desto genauer wird Dein innerer Sinn zwischen nötiger und unnötiger Anspannung unterscheiden lernen. Eine gewisse Grundspannung ist in jeder Position notwendig, um den Körper auf- und auszurichten, doch es ist entscheidend, ein genaues Sensorium dafür zu entwickeln, wo die Spannung wirken soll und welche Bereiche losgelassen werden können, um tiefer in die Position gehen zu können.
Dieser Sinn für den Unterschied wird nun auch in anderen Lebensbereichen wirksam. Situationen, in denen Du Dich bedroht fühlst, aktivieren den Kampf- oder Fluchtmodus und lösen eine Kette von leidvollen Reaktionen – Dukha aus. In solchen Situationen, die alte, unbewusste Muster – Samskaras anstoßen, können Dir einige, bewusst verlängerte Atemzüge eine gewisse Distanz verschaffen, einen Aufschub, der es dem, durch die Yogapraxis geschärften Unterscheidungsvermögen erlaubt, die Lage zu sondieren: Ist die Situation wirklich so bedrohlich, dass der Stress das gesamte System in Alarmbereitschaft versetzen muss? Oder reicht vielleicht eine kurze Sammlung von Energie und Aufmerksamkeit – eine genau dosierte Verteilung von An- und Entspannung – um mit der Situation fertig zu werden, oder ihr sogar eine positive Wendung zu geben?
Widmungsmantra
AUM
vande gurunam caranaravinde
sandarshita svatma sukha va bodhe
nih sreyase jangalika yamane
samsara halahala mohasahantyai
abahu purushakaram
shankacakrasi dharinam
sahasra shirasam svetam
pranamami Patanjalim
AUM
AUM
Um das vom Gift von Samsāra ausgelöste Delirium zu lindern,
verbeuge ich mich vor den Lotosfüssen des Meisters,
die die Freude, das Selbst zu erkennen, wecken.
Sie sind die besten Ärzte gegen das Gift.
Ich verbeuge mich vor Patañjāli,
der weiß ist und tausend Köpfe hat
und bis zu seinen Armen einen menschlichen Körper hat
und Muschelhorn, Diskus und Schwert trägt.
AUM